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• »Alpha-Männchen-Sensor«: Stehen Frauen wirklich auf Idioten?
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»Hey Babe« – Frauen und ihr Alphamännchen-Sensor
Eine Sexkolumne von Heike Kleen
Frauen stehen auf Idioten, und die Netten werden aussortiert? Ich gebe zu: Da ist was dran.
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Hey Babe: Stehen Frauen wirklich auf solche Typen?
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[M] DER SPIEGEL; Jamie Kingham / Getty Images
Stark, dominant und erfolgreich. Groß, lang und standfest. Ja, diese Erwartungen haben noch immer viele Männer an sich selbst, schrieb ich in meiner letzten Kolumne. Danach meldete sich ein Leser: Männer würden sich nie von ihrem toxischen Gedankengut befreien, solange Frauen auf Mistkerle stehen. »Ich kenne bis auf zwei Ausnahmen nur Frauen, die genau die Art von Mann wollen, an denen Sie – und ich – verzweifeln: egoistisch, ignorant, aggressiv«, schrieb er weiter. Die meisten Frauen besäßen einen »Alphamännchen-Sensor« – und sobald ein Mann zu nett sei, werde er aussortiert.
Zur Autorin
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Eva Häberle
Heike Kleen, 1975 in Bremen geboren, hat Germanistik und Politikwissenschaft studiert und arbeitet als freie Journalistin für Talkshows in ARD, ZDF und NDR. Außerdem schreibt sie Essays und Kolumnen zu den Themen Gleichberechtigung, Familie, Bildung und Sexualität sowie Sachbücher, zuletzt »Geständnisse einer Teilzeitfeministin«.
Ich gebe zu: Da ist was dran. Es ist nur anekdotische Evidenz, aber auch ich habe oft erlebt, wie Frauen sich um Alphamänner scharten. Und es wäre verlogen, solche Verhaltensweisen weit von mir zu weisen. Je abweisender und charakterlich fragwürdiger das Objekt der Begierde, umso interessanter.
Auch der Karneval hat mal wieder die Abgründe unseres Paarungsverhaltens offengelegt: Eine Umfrage im Auftrag des deutschen »Playboy« nach attraktiven Kostümierungen ergab, dass Frauen sich zu Insignien der Macht hingezogen fühlen. Männer in Uniformen finden sie sexy, besonders Polizisten und Piloten. Männer hingegen stehen auf Frauen in Krankenschwester-Kostümen. Zu gern würde ich diese Neigung mit dem Fachkräftemangel erklären.
Die Biochemie reicht als Erklärung also nicht aus.
Was hat es auf sich mit dem merkwürdigen Verhalten geschlechtsreifer Frauen zur Paarungszeit?
Zunächst ist da die Sache mit der Fruchtbarkeit. Lange hieß es, Frauen würden zur Zeit des Eisprungs – salopp formuliert – das draufgängerische Alphatier dem verlässlichen Normalo vorziehen, um sicherzugehen, dass auch der Nachwuchs hoch hinaus will. Inzwischen gibt es auch andere Erkenntnisse in der Wissenschaft: Frauen finden Männerkörper während des Eisprungs zwar attraktiver als sonst, ihr Männergeschmack bleibe aber gleich
. Die Biochemie reicht als Erklärung also nicht aus.
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Oder haben wir es mit der Evolution zu tun, einer sexuellen Selektion nach Darwin? Sie könnte die Auslese von Männchen mit bestimmten Merkmalen durch die Weibchen erklären. In der Untersuchung »Mate Preferences and their behavioral Manifestations« aus dem Jahr 2018, in dem David Buss und David Schmitt den Stand der Forschung für das Fachblatt »Annual Review of Psychology« zusammengetragen haben, heißt es: »Frauen legen mehr als Männer Wert auf wirtschaftliche Ressourcen, auf Anhaltspunkte für den Erwerb von Ressourcen, wie Ehrgeiz und Status, und auf die Bereitschaft des Mannes, diese Ressourcen speziell für die Frau und ihre Kinder einzusetzen.« Dadurch hätten Männer im Laufe der Evolution gelernt, dass gute ökonomische Ressourcen sie attraktiv für das andere Geschlecht machen, erklärt der Psychologe David Buss.
Für mich klingt das weibliche Verhalten nach gesundem Pragmatismus.
Klingt ein bisschen, als sei schon wieder die Frau schuld an den Irrwegen des Mannes. Erst die Sache mit dem Apfel, nun rennt er auch noch ihretwegen ständig ins Büro und versucht, die Karriereleiter zu erklimmen. Dafür muss er im Kapitalismus egoistisch, materialistisch und aggressiv sein und – zack – ist aus ihm ein Idiot geworden.
Liebesleben
Unser Liebesleben verändert sich. Die Geschlechterrollen sind im Wandel und die Sexualisierung unserer Gesellschaft nimmt zu. Doch das Thema Sex ist für die meisten ein Tabu geblieben. Woher kommen unsere Ängste und warum ist Intimität so schwierig? Was nehmen wir alles mit ins Bett und wie finden wir Frieden mit unserem Körper und unserer Lust?
Diesen Fragen stellt sich Heike Kleen mit Unterstützung von Expertinnen und Experten in unserer neuen Serie »Liebesleben«.
Zur Serie
Für mich klingt das weibliche Verhalten allerdings eher nach gesundem Pragmatismus: Wer Kinder austrägt, gebärt und säugt, hat ein gewisses Interesse daran, sowohl deren als auch das eigene Überleben zu sichern. Und das ist bekanntlich ganz schön schwierig. Erst recht in grauen Vorzeiten – als es noch an sozialer Gerechtigkeit mangelte, an gleichberechtigtem Zugang zum Arbeitsmarkt, verlässlichen Kitas und fairer Aufteilung von Care-Arbeit. Ups, auf dem Stand sind wir ja immer noch.
Ich verstehe jede Frau, die sich durch einen Alphamann absichern will. So wie ich jeden Mann verstehe, der auf dicken Max macht. Nervig finde ich trotzdem beides, und glücklich macht uns dieser uralte Tauschhandel langfristig auch nicht.
Die Studienlage ergibt laut Buss und Schmitt außerdem, dass sich diese Prioritäten der Geschlechter im weltweiten Vergleich kaum geändert haben – trotz der zunehmenden Gleichstellung in einigen Ländern. Sind wir nur Opfer der Evolution? Oder könnte die weibliche Geschmacksverirrung auch eine Spätfolge des Patriarchats sein?
»Mädchen werden mehr als Jungs auf soziale Anerkennung getrimmt. Wer soziale Anerkennung braucht, ist empfänglich dafür, wenn jemand etwas Nettes sagt.«
Gitta Jacob, psychologische Psychotherapeutin
Die Frage ist: Was würden Frauen in absoluter Freiheit tun? Wenn sie geblitzdingst wären und nicht mehr wüssten, dass der schnellste Weg zum guten Leben noch immer über den Mann läuft? Wenn sie vergessen hätten, wie sehr ihr Marktwert von ihrem Äußeren abhängt? Und dass sie um Anerkennung kämpfen müssen?
»Mädchen werden mehr als Jungs auf soziale Anerkennung getrimmt. Wer soziale Anerkennung braucht, ist empfänglich dafür, wenn jemand etwas Nettes sagt. Wer Anerkennung braucht und jemandem gefällt, der mächtig und einflussreich ist, ist am Ziel«, sagt Gitta Jacob, psychologische Psychotherapeutin. (Lesen Sie hier das ganze Interview. )
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Die weibliche Gefallsucht sitzt tief, sie lässt sich genauso schwer wegevolutionieren wie die männliche Protzsucht. Der Unterschied zu früher ist nur, dass selbst Schönheits-OPs, Dauerdiäten und sexuelle Unterwerfung inzwischen als feministischer Akt gefeiert werden. Freiheit stelle ich mir anders vor.
Mistkerle werden aussortiert, nicht nur mit zunehmender Lebenserfahrung.
Trotzdem sehe ich einen Hoffnungsschimmer und möchte meinem engagierten Leser eine frohe Botschaft mitgeben: Mistkerle werden aussortiert, nicht nur mit zunehmender Lebenserfahrung, sondern auch dank der gesellschaftlichen Entwicklung. Je gleichberechtigter wir leben, desto weniger Gründe gibt es für Frauen, ihr Leben und ihr Bett mit so einem Exemplar zu teilen. Oft merken Frauen erst nach der Familiengründung, dass ihr Mann das verhaltensauffälligste Kind ist. Oder sie stellen in der Lebensmitte fest, dass sie sich ohne Partner freier fühlen. Der Alphamännchen-Sensor verwandelt sich in einen Mistkerl-Sensor. Auswertungen des Statistischen Bundesamts deuten darauf hin, dass weniger Menschen als Paare zusammenleben. Zudem beenden Frauen Beziehungen häufiger als Männer. Aber wo führt das hin, evolutionär betrachtet?
»Da die wirtschaftliche Gleichstellung der Geschlechter weiter zunimmt, können wir davon ausgehen, dass Frauen bei ihren langfristigen Partnerwahlen immer anspruchsvoller werden und weniger tolerant gegenüber bestehenden Partnern sind, die ihre langfristigen Wünsche nicht erfüllen«, heißt es in der Untersuchung des Psychologen David Buss.
Und nun? Finden wir uns damit ab, dass Frauen und Männer am Ende doch nicht zueinander passen, begraben wir die Idee von der heterosexuellen Zweisamkeit und sterben langsam aber sicher aus?
Das Körperliche ließe sich durch Sextoys, KI-Girls und Freundschaft plus überbrücken. Manchmal reicht auch eine Wärmflasche. Elon Musk könnte eine Zeitmaschine für Männer bauen, die die Fünfzigerjahre ganz dufte fanden. Oder – völlig absurder Vorschlag – wir lösen unsere noch immer recht starren Rollenbilder weiter auf und versuchen, uns alle als Menschen zu begreifen, mit Stärken und Schwächen, unabhängig vom zugewiesenen Geschlecht. Zum nächsten Karneval können wir uns ja trotzdem als Krankenschwester und Alphamännchen begegnen.
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